Was den Herrn Linné  – um 1758 – bewogen hat, einen 20 g schweren kleinen Vogel mit dem grandios klingenden „Parus major“ zu benamen, wird heute nicht mehr herauszufinden sein.

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In Mitteleuropa sollen nach Schätzungen zwischen 13 – 25 Millionen Kohlmeisen-Brutpaare leben – bevorzugt in lichten Wäldern, in denen sie ein ausreichendes Höhlenangebot finden. 

„„In der Menschenwelt hingegen ist die Wohnungsnot so groß, dass Meisen mitunter an den unmöglichsten Stellen zu nisten versuchen. In Briefkästen mit offenen Schlitzen zum Beispiel, in Löchern in Ampelpfählen, in Taschen von aufgehängten und nicht benutzten Gartenschürzen und anderes mehr.“ (1/ S.129)

Also ist es nicht so ungewöhnlich, dass sich unser Kohlmeisenpaar ausgerechnet die durchlöcherte Spitze eines rotweißen Warnkegels als zum Nestbau geeignet auswählten.

F. Sauer

Das fleißige Befliegen des Kohlmeisenpaares mit Nahrung erregte natürlich die Aufmerksamkeit der Hofkatzen. Fürsorgliche Menschen mussten deshalb für einen durch Katzen nicht zu überwindenden Schutz sorgen, was nach einigen Um- und Anbauten auch gelang. Die beiden Einfluglöcher des den Kegel umspannenden Schutzdrahtes fanden die Kohlmeisen ohne weiteres. 

Nach 12 – 15 Tagen drang aus dem Warnkegelnest lautes Lärmen, eine der Kohlmeisen schwirrte laut tönend über ihm. Offenbar war Stress angesagt.

Wenn bedacht werden muss, „dass der Stoffwechsel der Vögel fast immer auf höchstem Niveau verläuft“ (1/96) und schon für einen Spatz 800 Herzschläge pro Minute normal sind (1/95), dann können gleiche Werte für eine kleine gestresste Kohlmeise angenommen werden.

Also wurde der Nistkegel auf den Boden umgelegt und nach und nach schlüpften die 5 Nestflüchter heraus, fanden den Weg nach draußen auf einen benachbarten sicheren Apfelbaum.

Mehr konnte dem Kohlmeisenschicksal nicht nachgeholfen werden. Jetzt ist es an den Altvögeln ihre im Geäst sitzende Nachkommenschaft noch eine Weile mit Futter zu versorgen.

Im als Nest dienenden Warnkegel fand sich eine kunstvoll hergestellte Polsterung aus Gras, Pferdehaaren und kleinen Moosstücken. Da die Kohlmeisen, wie die Amseln, den Kot ihrer Brut sorgfältig mit dem Schnabel entsorgen, haben sie ihr Domizil ordnungsgemäß besenrein übergeben.

Ein Kohlmeisenpaar, das sich so ein sehr spezielles Nest für seine Brut aussucht, muss zu den Neugierigen ihrer Art gehören.

„Bei Kohlmeisen wirkt sich die Persönlichkeit auf ihre Rangposition aus. Diejenigen, die neugierig und unternehmungslustig sind, haben eine höhere Rangposition als die Trägeren.“ (3/143)

Heinz Sielmann hat in seinem Film „Schlaue Vögel“ anschaulich gezeigt, dass „Kohlmeisen, was die Intelligenz angeht, kein unbeschriebenes Blatt (sind)“. (3/29). Er berichtet von einem zunehmend schwieriger angeordneten Versuchsaufbau, bei dem Kohlmeisen aus einer Streichholzschachtel eine Nuss herausholen sollten. 

Zuletzt waren „um an die Nuss zu kommen … drei Schritt nötig: 1. Streichholz herausziehen, 2. auf die Schachtel fliegen und 3. gegen den Behälter mit der Nuss picken. Die Aufgabe war wirklich schwierig… Einige der Kohlmeisen hatten die Technik … verstanden und konnten wenig später die Nuss genießen. Auch dann noch, wenn man die Aufgabe noch schwerer gestaltete und weitere Hindernisse einbaute.“

Kohlmeisen sind bekannt für ihr flexibles Verhalten, auch in Bezug auf die Anpassung an steigende Temperaturen.

Eine „Langzeitstudie an einer Kohlmeisenpopulation im englischen Wytham Woods…“ durchgeführt durch ein Forscherteam aus Oxford, das zeigen konnte, dass sich Kohlmeisen trotz ihrer kurzen Generationsdauer, sich schnell fortentwickeln. Die „Kohlmeisen terminieren das Legen und Ausbrüten ihrer Eier in dem ausgesuchten Waldgebiet so, dass es genau in die Zeit des höchsten Aufkommens von Falterraupen fällt, mit denen sie ihre Jungen füttern. Die Raupen verlassen ihre Puppe, wenn im Frühling die Bäume ausschlagen, und dieser Zeitpunkt wird wiederum von der Temperatur diktiert. Weil nun die Temperaturen während des vergangenen Jahrhunderts gestiegen sind, finden Baumblüte und Raupenschwemme früher statt als in den 1960ern, als man mit der Studie begann. Wenn die Meisen fest darauf programmiert gewesen wären, ihre Eier jedes Jahr zu selben Zeit zu legen, würden sie die Raupen inzwischen verpassen, und ihre Jungen wären verhungert. Aber die Vögel haben die Verschiebung offensichtlich mitbekommen und legen ihre Eier ungefähr zwei Wochen früher. (2/340)

Die unten angezeigten Bücher sind wahre Fundgruben für Vogelliebhaber – zu beziehen beim örtlichen Buchhändler des Vertrauens.

1)

Josef H. Reichholf: Ornis – Das Leben der Vögel,  München 2014, (C.H.Beck), – ISBN 978 3 406 66048 1

2)

Jennifer Ackerman: Die Genies der Lüfte – Die erstaunlichen Talente der Vögel, 2017 Hamburg ( Rowohlt), – ISBN 978 3 498 00098 1

3)

Immanuel Birmelin: Von wegen Spatzenhirn! Die erstaunlichen Fähigkeiten der Vögel, 2012 Stuttgart (Kosmos); ISBN 978 3 440 13022 3

Text: Wünnenberg