In diesen Zeiten, in denen im Hause Gottes den Menschen atemlose Distanz verordnet werden muss, nimmt das Leben der Schleiereulen im Kirchturm seinen ungestörten Verlauf.
Fast auf den Tag genau wurden im vergangenen Jahr die jungen Schleiereulen beringt.
Auch in diesem Jahr fanden sich neugierige Menschen, die der Bruterfolg der Schleiereulen interessierte.
Der Gang ins obere Gebälk ist wie immer mühsam.
Desto größer die Freude über den gelungenen Aufstieg.
Der Herr der Ringe, Jörn Weiss, waltet souverän seines Amtes. Zunächst entnimmt er dem Brutkasten die Nestlinge.
Sieben kleine Schleiereulen haben es in diesem Jahr geschafft. Jörn Weiss reiht sie zur Beringung so auf, dass ihre Schlüpffolge sehr schön zu sehen ist. Stoisch wie die Jünglinge vor dem Feuerofen lassen sie die Behandlung über sich ergehen.
Inzwischen hat Robert Erb, bestens versiert in altem Gestübe, den Nistkasten gesäubert und in einen wohnlichen Zustand gebracht.
Alles weitere müssen wir nun dem Walter des Schleiereulenschicksals überlassen. Die Schleiereulen haben doch wohl hoffentlich einen!?
Weihnachten, das Jahresende, ein neues Jahr – allen diesen Zeitmarken liegt – nach unserem abendländisch-christlichen Verständnis – eine stille Aufforderung zum Einhalten und Nachdenken inne.
Hinderte uns früher daran das laute „KAUFE“ kreischende Vorweihnachtsgetöse der Wohlstandsjahre, so klingt seit zwei Jahren das penetrante „GEHORCHE“ der Machtinstanzen, die fürsorglich besorgt um unser aller Gesundheit sein wollen, durch das persönliche und öffentliche Leben der meisten Menschen und lässt eine klebrige Atmosphäre wie unter Mehltau entstehen. Und unter Mehltau kann es sich nur voller Angst vor Erstickung atmen.
Der Befreiungsschrei eines neu geborenen Kindes, das zum ersten Mal den Schock durch die ungewohnte Luft erfährt, macht Freude und immer wieder Erstaunen jedem Menschen, der das mit erlebt.
Von nun an wird das Kind alle 3,3 Sekunden einen Atemzug vollziehen, 18-mal pro Minute, 25 000-mal am Tag.
Dabei machen 25 Trilliarden Moleküle (250 mit 20 Nullen) diese Reise 18-mal pro Minute, 25 000-mal am Tag. Da könnte ein Molekül von „Caesars letztem Atem“ dabei sein. (Das ist zumindest eine legitime Idee, wenn man daran denkt, dass diese Moleküle sich lange in den Strömungen des heutigen Luftgasgemisches herumtreiben.)
Wenn das Neugeborene 80 Jahre alt wird, hat es 730.000.000 Atemzüge absolviert.
Vor 4 Milliarden Jahren klebten die ersten Einzeller schleimig an den Felsen und atmeten das damals vorherrschende Kohlendioxyd ein und Sauerstoff aus.
Vor 2 1/2 Milliarden Jahren, als sich die Atmosphäre mit Sauerstoff angereichert hatte, konnten Organismen den Sauerstoff atmen und Kohlendioxyd ausatmen – der erste aerobische Kreislauf!
Die Abermillionen Luftmoleküle des ersten Atemzuges unseres kleinen Kindes passieren mit etwa acht Stundenkilometern die 80 Quadratmeter (300.000 Millionen) seiner Lungenbläschen und füllen die 1600 Kilometer der kleinen Blutgefäße (Kapillaren) mit dem Sauerstoff.
In Verlauf von nur einer Stunde wird der kleine Mensch – glücklich älter geworden – durchschnittlich 10.000 Bakterien und 100.000 Viren einatmen. Dank gesunder Schleimhäute werden nicht alle Erreger in Erkältungszeiten sein Immunsystem schwächen.
„Da bildete Gott der Herr den Menschen aus Staub vom Erdboden und hauchte in seine Nase Atem des Lebens: so wurde der Mensch eine lebende Seele.“ 1. Buch Mose 2,7
Wir leben in Zeiten, in denen Ziffern unsere Realität abbilden sollen. Zahlen die oft Schwindel erregend und irreführend sind und die Seele der Dinge, der Menschen, der Erde nur entfernt berühren.
Was sind die Zahlen von Billionen Besitztümern der heutigen Herren der Welt (nicht „von Welt“) Gates, Zuckerman, Musk …, der Konzerzusammenballungen, der Finanzorganisationen angesichts der Millionen Jahre andauernden Evolution und ihrer unbegreiflichen und des Staunens werten Erscheinungen?
Es sind Zahlen, die sich wie der Turm zu Babel nur durch die Arbeit von Menschen aufblasen in den Himmel, fürsorglich begleitet und unterstützt vom Machtpool unseres Staates.
Es sind die Zahlen, die bei jedem menschlichen Tun, an jedem menschlichen Erzeugnis, an jedem menschlichen Körper auf einem Preisschild je nach Marktlage erscheinen.
Es sind die Zahlen hybrider Kriegführung gegen das Leben.
Hinter diesen Zahlen stecken höchst irdische Begierden … und Visionen, wie der NEUE MENSCH auszusehen, zu handeln hat und leben darf.
Das Phänomen der langen, wundersamen Entwicklung des Lebens auf dem Planeten Erde bis zum ersten Schrei eines heute Geborenen bedarf großer Ehrfurcht und Scheu und sorgsamer Behandlung.
Vor 2000 schrie ein Kind seinen ersten Schrei, einen lauten, nachhaltigen, die damalige Welt langsam verändernden.
Seit 200 Jahren hört man diesen Schrei nur wie von weiter Ferne.
Wenigstens ein Hauch von Schillers Kranichen muss auf die diesjährige erkennungsdienstliche Handlung der Beringung der kleinen Schleiereulen gelegt werden, denn eine Schar von Interessenten wollte ihr beiwohnen.
Hier kauern die kleinen Schleiereulen in der Ecke des Brutkastens.
Jörn Weiß, zertifizierter Beringungsexperte, führte souverän durch die Zeremonie.
Beim Öffnen des Nistkastens konnte eine der vier kleinen Schleiereulen nach draußen entschlüpfen und muss deshalb fürderhin ihr ring- und damit namenloses Schicksal tragen.
Behutsam wurden die Nestlinge in weiche Beutel gebettet, um anschließend fürsorglich und einfühlsam beringt zu werden.
Unter quasi kirchenamtlicher Aufsicht…
… erfolgte dann – wie im letzten Jahr – die Darbietung der Jungen im Tempel.
Jörn Weiß wies auf die Fähigkeit der Eulen hin, geräuschlos zu fliegen.
„Die Hinterkante des Flügels läuft in eine gefranste, flexible Kante aus, die einen Teil der Wirbel dämpft und damit auch den Schall. Die samtartigen Daunen an der Flügeloberseite wirken wie eine nachgiebige, aber raue Oberfläche, ähnlich einem weichen Teppich. In Simulationen zeigte sich, dass die spezielle Struktur dieser Oberfläche Schall besser und anders schluckt als bekannte Schallschutzmaterialien. Entscheidend scheint dabei die verzweigte Geometrie der einzelnen Daunenfasern zu sein.“
Was den Herrn Linné – um 1758 – bewogen hat, einen 20 g schweren kleinen Vogel mit dem grandios klingenden „Parus major“ zu benamen, wird heute nicht mehr herauszufinden sein.
In Mitteleuropa sollen nach Schätzungen zwischen 13 – 25 Millionen Kohlmeisen-Brutpaare leben – bevorzugt in lichten Wäldern, in denen sie ein ausreichendes Höhlenangebot finden.
„„In der Menschenwelt hingegen ist die Wohnungsnot so groß, dass Meisen mitunter an den unmöglichsten Stellen zu nisten versuchen. In Briefkästen mit offenen Schlitzen zum Beispiel, in Löchern in Ampelpfählen, in Taschen von aufgehängten und nicht benutzten Gartenschürzen und anderes mehr.“ (1/ S.129)
Also ist es nicht so ungewöhnlich, dass sich unser Kohlmeisenpaar ausgerechnet die durchlöcherte Spitze eines rotweißen Warnkegels als zum Nestbau geeignet auswählten.
F. Sauer
Das fleißige Befliegen des Kohlmeisenpaares mit Nahrung erregte natürlich die Aufmerksamkeit der Hofkatzen. Fürsorgliche Menschen mussten deshalb für einen durch Katzen nicht zu überwindenden Schutz sorgen, was nach einigen Um- und Anbauten auch gelang. Die beiden Einfluglöcher des den Kegel umspannenden Schutzdrahtes fanden die Kohlmeisen ohne weiteres.
Nach 12 – 15 Tagen drang aus dem Warnkegelnest lautes Lärmen, eine der Kohlmeisen schwirrte laut tönend über ihm. Offenbar war Stress angesagt.
Wenn bedacht werden muss, „dass der Stoffwechsel der Vögel fast immer auf höchstem Niveau verläuft“ (1/96) und schon für einen Spatz 800 Herzschläge pro Minute normal sind (1/95), dann können gleiche Werte für eine kleine gestresste Kohlmeise angenommen werden.
Also wurde der Nistkegel auf den Boden umgelegt und nach und nach schlüpften die 5 Nestflüchter heraus, fanden den Weg nach draußen auf einen benachbarten sicheren Apfelbaum.
Mehr konnte dem Kohlmeisenschicksal nicht nachgeholfen werden. Jetzt ist es an den Altvögeln ihre im Geäst sitzende Nachkommenschaft noch eine Weile mit Futter zu versorgen.
Im als Nest dienenden Warnkegel fand sich eine kunstvoll hergestellte Polsterung aus Gras, Pferdehaaren und kleinen Moosstücken. Da die Kohlmeisen, wie die Amseln, den Kot ihrer Brut sorgfältig mit dem Schnabel entsorgen, haben sie ihr Domizil ordnungsgemäß besenrein übergeben.
Ein Kohlmeisenpaar, das sich so ein sehr spezielles Nest für seine Brut aussucht, muss zu den Neugierigen ihrer Art gehören.
„Bei Kohlmeisen wirkt sich die Persönlichkeit auf ihre Rangposition aus. Diejenigen, die neugierig und unternehmungslustig sind, haben eine höhere Rangposition als die Trägeren.“ (3/143)
Heinz Sielmann hat in seinem Film „Schlaue Vögel“ anschaulich gezeigt, dass „Kohlmeisen, was die Intelligenz angeht, kein unbeschriebenes Blatt (sind)“. (3/29). Er berichtet von einem zunehmend schwieriger angeordneten Versuchsaufbau, bei dem Kohlmeisen aus einer Streichholzschachtel eine Nuss herausholen sollten.
Zuletzt waren „um an die Nuss zu kommen … drei Schritt nötig: 1. Streichholz herausziehen, 2. auf die Schachtel fliegen und 3. gegen den Behälter mit der Nuss picken. Die Aufgabe war wirklich schwierig… Einige der Kohlmeisen hatten die Technik … verstanden und konnten wenig später die Nuss genießen. Auch dann noch, wenn man die Aufgabe noch schwerer gestaltete und weitere Hindernisse einbaute.“
Kohlmeisen sind bekannt für ihr flexibles Verhalten, auch in Bezug auf die Anpassung an steigende Temperaturen.
Eine „Langzeitstudie an einer Kohlmeisenpopulation im englischen Wytham Woods…“ durchgeführt durch ein Forscherteam aus Oxford, das zeigen konnte, dass sich Kohlmeisen trotz ihrer kurzen Generationsdauer, sich schnell fortentwickeln. Die „Kohlmeisen terminieren das Legen und Ausbrüten ihrer Eier in dem ausgesuchten Waldgebiet so, dass es genau in die Zeit des höchsten Aufkommens von Falterraupen fällt, mit denen sie ihre Jungen füttern. Die Raupen verlassen ihre Puppe, wenn im Frühling die Bäume ausschlagen, und dieser Zeitpunkt wird wiederum von der Temperatur diktiert. Weil nun die Temperaturen während des vergangenen Jahrhunderts gestiegen sind, finden Baumblüte und Raupenschwemme früher statt als in den 1960ern, als man mit der Studie begann. Wenn die Meisen fest darauf programmiert gewesen wären, ihre Eier jedes Jahr zu selben Zeit zu legen, würden sie die Raupen inzwischen verpassen, und ihre Jungen wären verhungert. Aber die Vögel haben die Verschiebung offensichtlich mitbekommen und legen ihre Eier ungefähr zwei Wochen früher. (2/340)
Die unten angezeigten Bücher sind wahre Fundgruben für Vogelliebhaber – zu beziehen beim örtlichen Buchhändler des Vertrauens.
1)
Josef H. Reichholf: Ornis – Das Leben der Vögel, München 2014, (C.H.Beck), – ISBN 978 3 406 66048 1
2)
Jennifer Ackerman: Die Genies der Lüfte – Die erstaunlichen Talente der Vögel, 2017 Hamburg ( Rowohlt), – ISBN 978 3 498 00098 1
3)
Immanuel Birmelin: Von wegen Spatzenhirn! Die erstaunlichen Fähigkeiten der Vögel, 2012 Stuttgart (Kosmos); ISBN 978 3 440 13022 3
Es ist klar – so ein Aufreisser soll Leser aus der schon ewig währenden Corona-Apathie wecken. Was bedeutet schon Obersülzen in der weiten Welt des organisierten Spielerunwesens?
Und doch ist unser Ort nicht ohne Hütchen. Hütchen, die jeder kennt: rot-weiß beringt, kegelförmig – oft ineinander steckend, wenn sie gelagert und wie sie z.B. auf einem Obersülzer Pferdehof benötigt werden.
Ein Pferdehof braucht betriebsbedingt stets wache Augen für Tier und Mensch – auch kleine Veränderungen fallen schon auf…
…und wenn es nur eine kleine Bewegung auf einem Warnkegel ist.
Eine genaue und dann verweilende Beobachtung wurde mit einer reizvollen Entdeckung belohnt.
Am Warnkegel auf dem Boden des Pferdehofes herrscht reger Kohlmeisenbrutversorgungsverkehr.
Da staunt selbst der alte und in vielen Ställen erfahrene, weise und noch sehr lebenswache Felix…
… mit seinem Kompagnon.
Ist das denn einer Kohlmeise würdiges Verhalten, zu nisten fast am Boden in einem Hohlkegel, exponiert und nicht in allergrößter Ruhe?
Zumindest haben Katz und Hamster Mühe an die Brut zu gelangen. Also ist das zunächst eine intelligente Wahl. Wenn schon kein Meisenkasten in luftiger Höhe, dann wird eben dort gebrütet und versorgt, wo kein Mensch und kein feindliches Wesen es vermutet. Das ist wohl so eine Art Kulturanpassungscleverness.
Bleibt die Frage, wie sich denn die kleine Brut, wenn sie flügge wird, aus dem Kegel am Boden befreien kann.
Zunächst einmal stehen die Kegel ineinander, so dass nur eine kleine Nestlücke bis zum Flugloch bleibt – das müssten die Nestlinge schaffen; und dann wird sich wohl dort wo Pferde behütet hinter Zaun und Riegel stehen ein wenig nach oben hin offener Maschendraht finden, der vor Katz und Hamster schützen kann.
Man muss der Kohlmeise – zum Eingangsthema verweisend – die Cleverness und Intelligenz eines Hütchenspielers zurechnen – mindestens.
Es ist bekannt, dass unsere kleine Naturschutzgruppe ein interessiertes und wachsames Auge auf das Schleiereulenleben im Kirchturm hat. Im auf einem Nachbarhaus installierten Eulenkasten wird das Leben und Treiben der Eulen sogar rund um die Uhr videoüberwacht; so sind wir über den Wachstumzustand der Eulenbrut bestens informiert.
Der Kasten im Kirchturmdach wurde Ende Mai kontrolliert. In einer Ecke des Kastens war ein kleines Knäuel mit mindestens fünf Küken zu erkennen, zusammen gekuschelt in einer Wärmepyramide, die die Küken einnehmen, wenn die Elterntiere abwesend sind.
Für den 6.6.2020 war die Beringung der kleinen Schleiereulen festgesetzt, durchgeführt von Jörn Weiß, unserem von der Vogelwarte Radolfzell lizensierten Beringer.
Durch Dohlen herein getragenes Reisig, war der Nistkasten in zwei Hälften geteilt. In jeder verbarg sich eine Wärmepyramide von Eulenküken.
Schließlich wurden sieben kleine Eulen geborgen.
Wenn kräftige Männer kleine Eulenküken in ihre Pranken nahmen, droht diesen zarten flaumigen Wesen keinerlei Gefahr. Die etwas älteren Eulen lassen sich in die Hand nehmen, die jüngeren stellen sich einfach tot und bleiben auf dem Rücken liegen, bis sie beringt werden.
Frisch beringte Schleiereulenküken müssen traditionell eine ausgedehnte Parade über sich ergehen lassen.
10 Tage später brachten zwei Kinder eine der kleinen Schleiereulen in einem Karton herbei. Sie hatten sie unter dem Flugloch des Kirchdaches gefunden, offensichtlich war sie herunter gefallen.
Sie wurde wieder zu ihren Mitküken gesetzt, die in zwei Wärmepyramiden im Nistkasten hockten – setzte sich jedoch sofort wieder auf Reisig unweit des Fluglochs – offensichtlich eine abenteuerlustige kleine Eule.
Im Kasten des benachbarten Hauses werden jetzt 6 Eier bebrütet. Da sich die Paarungsaktivitäten der beiden Alten – wie die Kamera zeigt – reduziert haben, gehen wir davon aus, dass keine weiteren Eier gelegt werden.
Zwei Bruten – sieben geschlüpfte und sechs noch im Ei befindliche – das ist eine stolze Reproduktionsrate für ein Schleiereulenpaar.
Haben Sie schon mal von Wiesenschwingel, von Horstrotschwingel, von Platthalmrispe gehört. Nein?
Aber die Wiesenflockenblume, den Wiesen-Pippau, das liebliche Mädesüss, oder den Blut-Weiderich kennen Sie doch bestimmt.
Wenn nicht, gedulden Sie sich bitte noch ein paar Monate, bis sich die ganze Pracht dieser Saatmischung auf der ersten Blühwiese in Obersülzen an der Kirche unterhalb der Friedhofsmauer entfalten wird.
Bereits im Juni 2019 hatte dieRHEINPFALZ in diesem Artikel von der Veranstaltung in der VG Leiningerland über die Möglichkeiten von „Grünflächen als Steuerungselement einer klimagerechten Stadtentwicklung“ berichtet.
Im Rahmen der Dorfmoderation (Dorfbild) wurde von der Obersülzer Gemeindespitze, Herrn Lehmann, die Möglichkeit entwickelt, im Dorf auf Flächen die eh da sind, Blühwiesenstreifen anzulegen, die dem Insektenschutz dienen und das Auge des Bürgers erfreuen. Nach sorgfältiger Überprüfung der durch den Landschaftsexperten Breivogel bereitgestellten Saatgutalternativen entschieden sich die Dorfgremien für die obige Mischung.
Die Finanzierung erfolgt aus einem Landes-Fond, aus dem antragsberechtigte Bürger und Vereine schöpfen können, wenn sie sich aktiv – in diesem Falle unsere kleine Naturschutzgruppe – an solchen Projekten beteiligen.
Und so konnten Herr Lehmann und Mitglieder von Bach-und-Baum-e.V. am Samstagmorgen, 17.5.2020, den Aufmarsch des LandschaftsgartenexpertenBreivogel mit seinem schweren Saatgerät an der bereits von Herrn Uebel hergerichteten Fläche hinter der Friedhofsmauer erleben.
Herr Breivogel informierte kurz über die Entwicklung der inzwischen fest etablierten Blühwiesenbewegung, die Samenspezialitäten und die Entwicklung einer Blühwiese unter den Bedingungen des hiesigen Bodens.
Nach einer Maschineneinweisung übernahm der Vertreter der Dorfexekutive, Herr Ploch, sein erstmaligesKommando über den Saatprozess, ….
… den er in souveräner Art und Weise absolvierte.
Uns bleibt die freudige Erwartung auf die sich voll entwickelnde Pracht der ersten Blühwiese Obersülzens.
Es muss einmal in aller Bescheidenheit, wie es unserer kleinen Naturschutzgruppe ziemt, gesagt werden, dass wir die Mitgliederbeiträge und Spenden unseres Vereins recht gut zum Wohle der Natur Obersülzens einsetzen.
2014 wurde am Landgrabenufer (Wormser Weg) eine Traubenkirsche (damaliger Baum des Jahres) gepflanzt. 2017 folgte eine Sommerlinde (Baum des Jahres 1991) als Seniorenbaum auf dem vorderen Friedhofsgelände, und 2019 wurde am diesseitigen Ufer des Landgrabens als Ehrenbaum für Ulrich Heinze eine Flatterulme ihrem Wachstum überlassen.
Diese schöne Tradition haben wir in den späten Märzwochen 2020 fortgesetzt.
„Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge, würde ich heute noch mein Apfelbäumchen pflanzen“ – so Luther diesen Spruch denn jemals in die Welt gesetzt hat, – so muss das seiner Erfahrung nach mit mühseligem Tun verbunden gewesen sein: Baum besorgen, Spaten schleifen, tiefes Pflanzloch in womöglich steinigen Grund graben – und das in Hast: denn der Weltuntergang ist nahe.
Gottlob leben wir in bequemeren Zeiten. Da kommt ein erfahrenes Mannespaar der Gärtnerei Breivogel mit schwerem Gerät, das imstande ist, beliebig große und beliebig tiefe Pflanzlöcher auszuheben und – schwupps – einen jungen Baum auf dem Altfriedhof unweit des Turmes der Obersülzer Kirche der Erde zu übergeben.
Und da stehen sie nun – die ROBINIE – für die an dieser Stelle abgestorbene Linde – und der AMBERBAUM (Liquidambar styraciflua).
Die deutsche Bezeichnung „Robinie“ – der Baum des Jahres 2020 – trägt den Namen des Botanikers Jean Robin, der die ersten Robinien-Samen 1601 von Nordamerika nach Paris brachte. Er pflanzte unweit von Notre-Dame zwei Robinien, die als die ältesten Bäume von Paris angesehen werden. Die ältere mit einem Stammumfang von 3,90 m wurde im 1. Weltkrieg durch Bombeneinwirkung stark zerstört; sie blüht aber immer noch.
Die Robinie ist anspruchslos und verhindert durch ihr in die Breite gehendes Feinwurzelwerk Bodenerosionen. Das ist bei uns sehr gut zu sehen in der sich nach tief unten windenden Straße von Großkarlbach nach Freinsheim. Die schroffen Seitenhänge sind bepflanzt mit stabilisierenden Robinien.
Die Robinie wird auch als Bienenweide angepflanzt. Nördlich von Maxdorf brummt und summt es im Sommer in den Robinien. Dort produzieren Bienen einen hellen, klaren, milden und dank des hohen Fruktosegehalts über Jahre nicht kristallisierenden Honig. Meist wird er unter dem irreführenden Namen Akazienhonig vermarktet.
Was man so liest über ihn, dann scheint er etwas zu haben, etwas begehrlich Duftendes.
Süskind, Patrick: Das Parfum, Zürich: Diogenes 1985, S. 193
„In ihr komponierte er rasch ein anderes Parfum, eine Art Kopie des ersten, das ebenfalls aus frischen und aus blumigen Elementen bestand, bei dem jedoch die Basis nichts mehr von dem Hexensud enthielt, sondern ganz konventionell etwas Moschus, Amber, ein klein wenig Zibet und Öl von Zedernholz.“
Wenn man seine Blätter zwischen den Fingern zerreibt, dann duftet er nach – na, eben nach Amber.
Da der Amber aus Amerika kommt, hatte man sich dort schon längst seiner Düfte bemächtigt. Angeritzt entlässt der Amber aus seiner Rinde Storax, einen Saft, der als Kaugummigrundstoff Verwendung fand.
In etwa 20 Jahren ist unser Amber groß; er wächst 20 – 40 cm jedes Jahr, blüht von April bis Mai. Bis dahin hat sein Samen 25 Vogelarten, wenn es sie dann noch gibt, gute Nahrung gegeben.
Dank seiner Robustheit gegen Hitze und Klimawandel wird er künftigen Obersülzer Generationen Schönheit und auch Schatten spenden.
Und im Herbst prangt er in einer wunderschönen Herbstfärbung – Indian Summer in Obersülzen.
„Wer Bäume setzt, obwohl er weiß, dass er nie in ihrem Schatten sitzen wird, hat zumindest angefangen, den Sinn des Lebens zu begreifen.“(Tagore, Literaturnobelpreis1913)
In dieser scheußlichen, undurchsichtigen Coronazeit, in der unser aller Aktionsradius jäh eingeschränkt worden ist, will unser kleiner Naturschutzverein wenigstens virtuell ein kleines Fenster nach draußen öffnen.
Es gibt sie noch, die Menschen, die legitimiert sind, mit dem Hunde Obersülzen zu umkreisen, weil die sich noch um das Virus nicht zu scheren brauchen.
Wenn diese Menschen in den eiskalten Tagen der letzten Märzwoche – und dazu in aller Herrgottsfrühe – in der jeder von Corona Beeinträchtigte sich noch in sanftem Schlummer wiegt – mit wachem Auge durch die Feldwege spazieren, sehen sie erstaunliche, fast rätselhafte Dinge.
Und da auch für die Kinder aus Obersülzen die Schule ausfällt, sie damit also einer nervtötenden Langeweile ausgesetzt sind, stellen wir diese rätselhaften Dinge für sie hier aus, damit sich ihre reichlich vorhandeneNeugierde für eine kleine Zeitspanne entzünden kann.
(Das ist nebenbei auch als Service unserer kleinen Naturschutzgruppe für die Eltern gedacht.)
Denn:
Wer hat in den späten Märztagen in Obersülzen solche Gebilde gesehen? Was kann das sein?
Bild: Conny Wessa
Wenn man diese Erscheinung näher in Augenschein nimmt, dann wird auch noch nicht klar, um was es sich hier handelt.
Bild: Conny Wessa
Hier lässt sich schon etwas erahnen. Aber vereiste Blüten im späten März? Das kann für diese doch nicht gut ausgehen.
Bild: Conny Wessa
Wenn man das Auge der Kamera weiter öffnet, lässt sich zumindest der Ort dieser rätselhaften Erscheinung erkennen – eine Apfelplantage am südlichen Rand von Obersülzen.
Bild: F. Sauer
Wozu im Frühling die Blüten einer Apfelplantage bei Frostgefahr beregnen?
2017, im April, ereignete sich für Obstbauern, die Äpfel, Kirschen und Wein anbauen, eine Naturkatastrophe. Bei einem plötzlichen Wintereinbruch erfroren alle frischen Kirsch-, Apfel- und Weinblüten. Die Bienen hatten keine Blüten mehr zum Bestäuben, die Obstbauern standen vor dem völligen Verlust ihrer Obstproduktion.
Um diesen Gefahren zu entgehen, werden Anlagen für die sehr teure Frostberegnung gebaut.
Hier wird eine Frostberegnungsanlage gezeigt:
Eine Frostberegnungsanlage besteht aus mehreren sogenannten Regnern, die über den Baumwipfeln der Obstbäume angebracht werden. Fallen die Temperaturen auf 0 °C bis 0,5 °C ab, setzen die Regner, ähnlich Rasensprengern, einen ständigen leichten Sprühregen über die Blüten der Obstbäume ab. Die Feuchtigkeit gefriert und bildet auf den Blüten eine Eisschicht. Durch die Abgabe von Wärme zum Zeitpunkt des Gefrierens des Wassers auf den Blüten kann die Temperatur unter der Eisschicht bei 0,5 °C gehalten werden – der Frostschutz-Effekt ist eingetreten.
Aber das haben euch, liebe Obersülzener Kinder, eure Väter sicher bereits erklärt.